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Blockchain – Was bleibt vom Hype?

Seitdem der Bitcoin Rekordwerte erreichte und findige Investoren zu Millionären machte, steht die Kryptowährung und mit ihr die dahinterstehende Blockchain im Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit. Wirtschaft und Handel treibt derzeit die Frage um, welches Potenzial die Blockchain-Technologie hat und in Zukunft haben wird. Der Handelsverband hat dazu gemeinsam mit der Wirtschaftsauskunftei CRIF eigens eine Studie in Auftrag gegeben. Ross King, Senior Scientist am Austrian Institute of Technology, hat mit seinem Team dafür bestehende Anwendungsfälle unter die Lupe genommen. Am 12. April 2018 wurde die Studie veröffentlicht und vorgestellt. Im Anschluss diskutierten Fairtrade CEO Hartwig Kirner, Mercateo Country Manager Christoph von Lattorff und Bernhard Linemayr, Head of Product Management von CRIF, gemeinsam mit Ross King die Ergebnisse. Die Moderation der Runde übernahm Gastgeber Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands.


Quelle: Handelsverband; Fotos: Stefan Zamisch

„Lassen Sie sich nicht verrückt machen, weil Sie noch keinen Blockchain-Experten in Ihrem Unternehmen haben“, riet Christoph von Lattorff dem Publikum. Der Grund? Die Blockchain erlebt gerade einen unfassbaren Hype, der den Markt in Zugzwang bringt. Wie die Studie deutlich zeigt, steckt die Umsetzung von Blockchain-Technologien allerdings, gerade was etwa die Supply Chain betrifft, noch in den Anfängen. Sie sei keinesfalls ein „Selbstläufer“ oder eine „Allzweckwaffe“ befanden die Teilnehmer. Bevor man versuche, kopflos Blockchainlösungen zu etablieren, sei laut Mercateo Country Manager Christoph von Lattorff zuerst die Frage zu klären, welche Probleme es im klassischen Geschäftsmodell gegenwärtig überhaupt gibt und wo die Blockchain eine Lösungsmöglichkeit sein kann. Bisher sieht sich die Branche unzähligen vermeintlichen Anwendungsfeldern gegenüber. „Die Blockchain-Technologie ist noch in vielerlei Hinsicht eine Lösung, für die es kein Problem gibt“, sagte Hartwig Kirner dazu.
Er sieht die Blockchain eher als Werkzeug, das in den kommenden Jahren „insbesondere im Bereich Produktrückverfolgbarkeit“ wichtig werden kann. Dabei verspricht die Technik lückenlose Nachverfolgung von Waren,
Prozessschritten und Dienstleistungen fast in Echtzeit, in der Betrug und Manipulation ausgeschlossen werden können. Die Studie zeigt aber, dass das noch nicht funktioniert, weil es immer wieder Brüche gibt zwischen der realen Welt und dem, was digital abgebildet wird. „Wir nähern uns des Themas an und ich hoffe, dass es da in drei, vier Jahren schon ganz anders aussieht“, so Kirner.
Kritischer als die Anwendung in der Supply Chain betrachteten die Teilnehmer die durch Blockchain prophezeite Lösung der Vertrauensprobleme zwischen Kunden und Herstellern oder Händlern. Weil die Blockchain nur Datensätze zulässt, die bestimmt Kriterien erfüllen und diese dann transparent und für alle Beteiligten unveränderbar speichert, soll das Vertrauen in eine Vermittlerinstanz durch das Vertrauen in die Kette ersetzt werden. „Wenn man den externen Einheiten nicht vertrauen kann, wird auch eine Blockchain-Anwendung das Vertrauensproblem nicht lösen können“, meinte Bernhard Linemayr dazu. Zudem hielten für etliche Anwendungsfälle der Krypto-Kette etwa die digitale Erfassung und Überprüfung von Verträgen, längst konventionelle Technologien Lösungen bereit, so Linemayr. „Häufig reicht eine zentrale Datenbanklösung mit gemeinsamen Lese- und Schreibrechten vollkommen aus.“

Auch im Bereich Smart Contracts – also digital abgebildeten Verträgen, die in der Blockchain verankert werden und einsehbar sind – gilt das Gebot der Zurückhaltung. „Bei Smart Contracts ist der rechtliche Rahmen noch nicht geklärt, daher ist da Vorsicht geboten“, machte Ross King deutlich. Dabei sei Rechtssicherheit die Grundlage für Unternehmen, um das volle Potenzial der Blockchain und möglicher Folgetechnologien ausschöpfen zu können, wie Rainer Will herausstellte.
Trotz aller Kritik auf dem Podium an der Blockchain-Technologie auf ihrem heutigen Stand, waren sich die Beteiligten einig, dass die Technologie ein riesiges Potenzial berge und man sie zwingend weiter auf ihre Einsatzmöglichkeiten hin prüfen müsse. Sie bestätigten damit, was Ross King in seinem Resümee des Events sagte: Der Hype wird gerade beschleunigt und angereichert mit sehr hohen Erwartungen. Erst die tiefere Erkenntnis wird etliche davon zerplatzen lassen bevor man die Technologie in, so schätzt er, sechs bis acht Jahren in vielen Unternehmen wirksam einbindet. Er rief deshalb auf: „Don‘t lose your heads, keep the technology in mind and don‘t be disappointed in the next two years.“